Fahrbericht Triumph Daytona 955i: Mitten im Leben (2024)

Wer in die Jahre kommt, gewinnt zwar an Weisheit und Würde, setzt aber auch schnell Fett an und wird kurzatmig. Dann wird es schwer im Wettstreit mit den ungestümen Newcomern. Beim Menschen – und bei seinem Untersatz. 224 Kilogramm vollgetankt gelten heute in der Supersportlergemeinde durchaus als wohlbeleibt, und 128 PS dort mittlerweile das untere Limit, während es nach oben scheinbar keine Grenzen gibt.
Zeit also für eine Verjüngungskur des sportlichsten Dreizylinders aus Hinckley. Die aber sollte – so wollten es die Marketingstrategen – nicht allzu krass ausfallen. Daytona sollte Daytona bleiben, denn immerhin war die heiße Britin mit dem amerikanischen Namen einer der Top-Seller im Triumph-Programm, ein Gesicht in der Menge.
Ein Vorhaben, das – die Fans können beruhigt sein – gelang, auch wenn gerade dieses Gesicht sich nun ganz anders präsentiert und der erste Blick eine schleichende Japanisierung der 955i suggeriert. Verschwunden die bildschöne Einarmschwinge, die einem 3,3 Kilogramm leichteren, zweiarmigen Bauteil wich. Verschwunden auch die typischen ovalen Doppelscheinwerfer, die durch zwei große Rundscheinwerfer hinter einer gemeinsamen Polycarbonatscheibe ersetzt wurden und eine bessere Lichtausbeute versprechen. Schon die erste Sitzprobe aber macht deutlich: In ihren Grundfesten ist die Daytona ganz die Alte geblieben, hat lediglich durch die nicht mehr ganz so weit gespreizten Lenkerhälften und einen im Sitzbankbereich schmaleren Tank (nun 21 statt 18 Litern) an Bequemlichkeit dazugewonnen.
So richtig heimelig wird dem Daytona-Liebhaber aber erst nach dem Druck auf den Startknopf. Da ist es wieder, dieses vertraute Triple-Grollen, das dem Fan die Nackenhaare aufstellt und auch eingeschworene Quadrophoniker darüber nachdenken lässt, ob vier Zylinder nicht einer zu viel ist. Zumal, wenn wie hier auf dem GP-Kurs von Estoril (Portugal) der von Triumph angebotene, aber für den Straßenverkehr höchst unzulässige Karbon-Schalldämpfer dieses Klangerlebnis noch verstärkt
Dass dieses Teil zusammen mit einem dann zu ändernden Mapping der Einspritzanlage zwei bis drei PS mehr freisetzen soll als die Serienanlage, ist angesichts des üppigen Leistungszuwachses eher von untergeordneter Natur. Satte 146 PS versprechen die Briten und ließen dafür kaum ein Bauteil unangetastet. Die sechs Einlassventile wuchsen um einen Millimeter, während ihre Pendants auf der Auslassseite um einen Millimeter schrumpften. Die Ventilschäfte wurden schlanker, die nun unter den Tassenstößeln liegenden Shims leichter, der Ventilwinkel enger. Außerdem überarbeiteten die Ingenieure die Kolben, erleichterten die Pleuel, hoben die Verdichtung von 11,2:1 auf 12:1 an. Dazu reduzierten sie die innere Reibung durch schmalere Gleitlager und optimierten die Motorgehäuseentlüftung. Die Zündspulen sitzen nun direkt in den Kerzensteckern, die Airbox wuchs ebenso wie der Drosselklappendurchmesser (46 statt 43 Millimeter) der nun von Keihin stammenden Drosselklappenkörper und die neue Krümmeranlage schmückt ein Interferenzrohr, das für besseren Durchzug in mittleren Drehzahlregionen sorgen soll.
Für saubere Abgase sorgt bei der deutschen Daytona-Version ein geregelter Katalysator plus Sekundärluftsystem, der – so verspricht Triumph – auf die Leistungsausbeute keinen Einfluss hat. Ein Versprechen, bei dem es zunächst bleiben muss, den die Präsentationsmodelle in Estoril traten allesamt ohne Saubermann an. Dafür mit Fahrwerksmodifikationen, die schon bei den ersten Runden auf diesem spannenden, trickreichen Kurs deutlich werden. Feststellung Nummer eins: die Daytona ist handlicher geworden. Das gilt vor allem für Schräglagenwechsel und Kurskorrekturen, wo zehn Kilogramm weniger Trockengewicht (188 statt 198 Kilogramm) sich ebenso positiv bemerkbar machen wie die nun 450 Gramm leichtere Vorderradfelge aus der TT 600 und die um ein halbes Zoll geschrumpfte Hinterradfelge (5,5 statt sechs Zoll), über die sich nun ein 180er- Bridgestone BT 010 (vorne 120/70 mit J-Kennung) statt des bisherigen 190ers spannt. Feststellung Nummer zwei: Die 955i lenkt nach wie vor willig ein und hält zielgenau den einmal vorgegebenen Radius. So gerüstet, ist die schnelle und scheinbar unendliche Rechts vor der Zielgeraden immer wieder ein Genuss. Dann rechtzeitig das Gas angelegt – Lastwechselrucken ist auch der jüngsten Daytona-Generation fremd –, und es geht mit gesteigerter Drehfreude und sattem Schub auf die Gerade. Das Drehzahllimit liegt nun übrigens erst bei 11000/min statt 10500/min an. Zu Feststellung Nummer drei gelangt der Fahrer auf den Bodenwellen am Kurvenausgang: Die Abstimmung von Gabel und Federbein liegt auf der komfortablen Seite. Vor allem, was die Druckstufendämpfung angeht, könnte die Daytona – zumindest auf der Rennstrecke – mehr Reserven vertragen, während die Zugstufendämpfung speziell der Gabel trotz Überarbeitung nach wie vor recht straff agiert. Diese Tatsache sorgt in Kombination mit der geänderten Fahrwerksgeometrie (14 Millimeter weniger Radstand, 67,2 statt 66 Grad Lenkkopfwinkel, 81 statt 86 Millimeter Nachlauf) dafür, dass die Daytona gerade in den welligen Beschleunigungspassagen mitunter mit dem Lenker zuckt und in der Bremszone am Ende das das Hinterrad schnell leicht wird.
Ohne Zweifel auch ein Verdienst der nach wie vor fulminanten Bremsanlage. Fein dosierbar, brachiale Wirkung: Hier sah man in Hinckley zu Recht keinen Handlungsbedarf. Ganz im Gegensatz zum Getriebe, das mit überarbeiteten Schaltklauen aufwartet, sich zumindest im Rennstreckeneinsatz beim schnellen Hochschalten aber nach wie vor ruppig zeigt und das Einrasten des nächsthöheren Gangs mitunter verweigert, während die Schaltwege immer noch erfreulich kurz sind.
Von ebenso erfreulicher Kurzweil ist die Vorstellung des neuen Motors, der im oberen Drehzahlbereich merklich an Punch zulegte und im unteren sowie mittlerennichts von seinen Qualitäten einbüßte. Mit sattem, aber immer berechenbarem Schub geht es aus den Ecken. Da macht es auch nicht viel, wenn gerade nicht der passende Gang parat ist, weil es in der Regel eine Nummer höher ebenfalls tut.
Ein Wesenszug, der den gesamten Charakter der neuen Daytona prägt. Denn obgleich sie an Agilität und Leistung gewonnen hat und auf der Rennstrecke von Estoril der Journalistenmeute präsentiert wird, wo sie jede Menge Spaß bereitet, betont Marketingmanager Ross Clifford den zivilen Einsatzzweck der Daytona 955i. Sie sei für den sportlichen Landstraßenritt konzipiert. Steht eben mitten im Leben, der neue Dreizylinder.

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